Sonntag, 29. Mai 2011

Leserbrief 05

Das Großaufgebot des Herrn N. in der Leserbriefspalte vom 27. Mai marschierte ins Leere, weil der Kollege nicht richtig gelesen und deswegen falsche Nachrichten von sich gegeben hatte. Möglicherweise aber hat er seinen ausgetretenen Pfad beschritten: Die Dinge leicht verdrehen und seine Interpretation der Fakten als Fakt darzustellen. Die herablassende Attitüde aber war unter der Gürtellinie. So springt mit mir niemand um, der mich im Bedarfsfall "Freund" nennt und unter den Schirm meiner Worte flüchtet. Also habe ich pariert, und anderntags war bereits zu lesen:


Reinmar Wipper, Nürtingen. Zum Leserbrief „Der Maientag und die Traditionen“ vom 27. Mai. Kollege Nauendorf musste mal wieder ganze Breitseiten abfeuern, um das Papierschiffchen zu versenken, auf dem ich Kapitän bin. Ich brauche aber seine Rhetorik nicht, mit der er einmal mehr die Welt nach seinem Willen und seiner Vorstellung erklärt. Es geht doch lediglich um die Frage, womit der Nürtinger Maientag eröffnet wird.
Im Maientagsprogramm steht: Mit „dem“ Fassanstich. Das lehne ich ab, und echte Nürtinger wissen, was ich meine. Es ist daneben, mir zu unterstellen, ich missbilligte den Festzeltbetrieb und den Rummel. Erst recht brauche ich keine Belehrungen darüber, in welchem Verhältnis meine „Fähigkeiten“ zu „solchen Leserbriefen“ stehen. Von beidem hat er schon ausgiebig profitiert. Das ist nun endgültig gegessen. Mahlzeit!



Das ist am Maientagsmorgen in der Zeitung gestanden, und vor dem Rathaus haben mir alte Nürtinger, die auf den Festzug gewartet haben, mit Handschlag gratuliert.

Und dann ging´s ins Festzelt. Mit der ganzen Familie. Was dort passiert ist, das steht dann im Leserbrief 06.


Leserbrief 04

Nach dem Leserbrief 03 fühlte sich der dienstälteste Stadtrat im Nürtinger Gemeinderat herausgefordert, auf breiter Front mobil zu machen:


Helmut Nauendorf, Nürtingen. Alles, was beim Maientag passiert, wird im Maientagsausschuss diskutiert und der Verwaltung empfohlen oder eben auch nicht. Dieser Ausschuss besteht aus den Vertreterinnen und Vertretern der Nürtinger Schulen und aus Mitgliedern der Verwaltung, angefangen vom Bürgermeister (künftig der Bürgermeisterin) über die Vertreter des Kultur-, Schul- und Sportamtes bis hin zu den betroffenen Amtsleitern. Kurzum aus allen, die den Maientag zu organisieren und zu gestalten haben. Ich gehöre diesem Gremium seit 40 Jahren an. Ich weiß, was sich in dieser Zeit alles verändert hat, auch beim Maientag.
Im letzten Jahr hat dieser Ausschuss in großer Runde getagt mit Vertretern der Schausteller. Auch die Fraktionen waren eingeladen. Nur ein Vertreter der Nürtinger Liste/Grüne erschien nicht. Es ging um die weitere Gestaltung des Maientages.
Es ist eine seit Langem diskutierte Frage, ob Bierzelt und Karussells zur Tradition des Maientags passen. Sicherlich nicht, wenn man den ursprünglich pietistischen Kern des Maientages betrachtet, auch die Ansätze der aufgeklärten Pädagogik. Aber man kann ja mal die Kinder befragen, ob sie auf Karussells verzichten wollen. Über Bierzelte kann man unterschiedlicher Auffassung sein.
Wenn man aber das Bierzelt will, dann langt es nicht, wenn Herr Wipper und andere Bürger nach dem Festzug ein oder mehrere Bier trinken und eine Rote essen. Dann muss dieses Zelt an möglichst vier Nachmittagen und Abenden mit Veranstaltungen „bespielt“ werden. Die Kosten für ein Zelt sind nicht erst neuerdings exorbitant hoch. Und es bedarf eines erheblichen Umsatzes, um das überhaupt finanzieren zu können. Vereine können sich das im Regelfall nicht mehr leisten.
Unter anderem ging es bei der besagten Sitzung darum, den Fassanstich nicht parallel zum Maiensingen und zum anschließenden Lehrertreffen zu legen. Deshalb kam es zur jetzigen Lösung, an der der Oberbürgermeister nicht mitgewirkt hat. Manche Menschen, Herr Wipper, schnitzen sich auch ihre „Gegner“ selber. Wenn man an Beratungen teilnehmen würde, könnte man in der Woche des Maientages kein Fass aufmachen.
Und darum scheint es neuerdings zu gehen. Es ist erstaunlich, dass ein Mann mit diesen Fähigkeiten auch zu solchen Leserbriefen fähig ist. Wie viele Stadträte und Lehrer am Anerkennungsabend in der Stadthalle auf Kosten der Stadt trinken dürfen, erörtere ich hier nicht. Wir kommen gerade aus der schwersten Finanzkrise der Nachkriegszeit. Vergessen, Herr Stadtvater? Prost!

Vielerlei in und zu dieser Schrift ist bemerkenswert:

1     Der Verfasser ist kommunalpolitisches Urgestein der Stadt, Träger hoher Auszeichnungen, Verdienstkreuze und Lorbeeren, lange Jahre als überparteilich geachteter Sozialdemokrat, heute, nach der verbitterten Rückgabe seines Parteibuches, als Mitglied der Fraktion Unabhängige Freie Bürger.
2     Dem Verfasser habe ich lange zugearbeitet. Hin und wieder hat er mich seinen Freund genannt, mit kurzen Verfallsfristen, je nachdem, ob er mich gebraucht oder als Rivale gesehen hat.
3     Eine Einladung zum Runden Tisch mit allen Beteiligten und Schaustellern habe ich nie erhalten. Würde mich auch wundern, denn der Oberbürgermeister ist ja froh, dass er mich rausdrängen konnte.
4     Nie ist in Frage gestellt worden, dass der Maientag durch einen Festzeltbetrieb und einen Rummel bereichert wird. Ich bin schon Kettenkarussel gefahren und saß mit meinem Opa im Zelt, als der Schreiber des obigen Leserbriefs noch nicht wusste, wo Nürtingen liegt.
5     Die Rendite eines Festzeltbetreibers hängt nur davon ab, an wievielen Tagen er wie lange servieren darf. Sie hängt aber nicht davon ab, ob und wann man eine Bierkönigin einlädt, die mit dem Oberbürgermeister ein Fass aufmacht und selbiger Akt als "Eröffnung des Maientags" ins Programmheft kommt.
6     Der ironische Gebrauch der Anrede "Herr Stadtvater" sowie die förmliche Anrede mit "Herr Wipper" kennzeichnet die Talphase der unter Punkt 2 erwähnten Wechselbäder, die Herr N. denen angedeihen lässt, die er neben sich braucht aber eben nur als Bonsai-Ausgabe seiner selbst.    
1950 Klasse 1a
Hölderlin-Grundschule.
Einer der Buben bin ich.
7     Am Maientag teilgenommen, als Schulbub im Jahre 1950, habe ich zum ersten Mal vor 61 Jahren. Aktiv mitgearbeitet, anfangs als Mitglied der berühmten Kunst-AG des Max-Planck-Gymnasiums unter Otto Zondler, habe ich seit 1959. Später als Lehrer mit meinen Schülern vom beruflichen Schulzentrum Auf dem Säer. Damals war ich viele Jahre Mitglied des Maientagsausschusses, bis es der damalige Rektor der Ersbergschule durchsetzen konnte, das die Schulen des Landkreises nicht mehr und nur noch die Schulen der Stadt teilnehmen durften.
8     Bis vor zwei Jahren saß ich als Moderator des Maiensingens im Maientagsausschuss. Bis mich der Oberbürgermeister rausgeschmissen hat. Aber das ist eine andere Geschichte, demnächst in diesem Theater.
9     Deswegen ist es Quatsch zu sagen, der Oberbürgermeister habe im Maientagsausschuss nicht mitgewirkt. Der Herr Oberbürgermeister ist erklärter Freund des Festzeltbetreibers und hat mit diesem für fünf weitere Jahre einen Vertrag gemacht. Ohne den Gemeinderat oder irgendeinen Ausschuss. Was der Herr Oberbürgermeister will, zum Beispiel seinen Fassanstich,  sagt er den Amtsleitern und die setzen es um.
10  Der Herr N. weiß das alles. Wenn er aber glaubt die Hellebarde zum Schutze der Stadt schwingen zu müssen, dann filtert und polarisiert er sein Wissen. Oder er vergisst es bereits. Das kennen wir alte Männer nur zu gut. Aber je älter wir werden, desto lächerlicher sehen wir in der Jungsiegfried-Pose aus. Die Eitelkeit drückt da dem Eitlen beide Augen zu.

Weiter geht es mit Leserbrief 05.

Leserbrief 03

Der Nürtinger Maientag ist ein Traditionsfest, dessen 400-jähriges Jubiläum im Jahre 2002 begangen wurde. Mit einem Riesenfestzug, der im Regen ertrank, weil man nicht den Mut hatte, vom Samstag auf den Sonntag zu rücken. Wegen logistischer Hürden.
Heuer war wieder ein ganz normaler Maientag und ein ganz normaler Festzug. Im Vorfeld gab es Reibereien, weil das Stadtoberhaupt den Beginn des Maientages partout durch einen Fassanstich im Bierzelt markieren wollte. Dagegen wehren sich alte Nürtinger wie ich. In der voran gegangenen Gemeinderatssitzung habe ich dagegen gewettert. Mein Fraktionskollege Rauscher blies ins gleiche Horn. Und dann stand in der Zeitung:

Kritik an Fassanstich zum Maientagsstart
Räte stören sich an Änderung im Programm des Traditionsfestes

VON ANNELIESE LIEB
NÜRTINGEN. „Eröffnung des Maientags mit Fassanstich durch Oberbürgermeister Heirich“ – dieser Satz im Programm des Nürtinger Heimatfestes, das heuer vom 27. bis 30. Mai gefeiert wird, trieb zwei Stadträten die Zornesröte ins Gesicht. Peter Rauscher und Reinmar Wipper von der Nürtinger Liste/Grüne brachten ihre Verärgerung in der Sitzung des Kultur-, Schul- und Sozialausschusses wortreich zum Ausdruck. Dass der Maientag nicht mit dem Maisingen eröffnet wird, sondern mit dem Fassanstich im Zelt, sieht Rauscher als „Eingriff in gewachsene Strukturen unserer Stadtkultur“. Ihm missfalle, dass in den obersten Regionen des Rathauses solche Dinge entschieden würden, ohne den Gemeinderat vorher zu hören.
Jörg Widmaier, der Leiter des Schul-, Kultur- und Sportamtes, entkräftete den Vorwurf. Ein Arbeitskreis habe sich mit dem Festprogramm beschäftigt. Um Überschneidungen mit dem „Lehrervesper“ nach dem Maisingen (es handelt sich dabei um eine Dank-Veranstaltung der Stadt, um den Lehrern für ihr Engagement beim Maientag zu danken) und dem Fassanstich zu vermeiden, habe man die Eröffnung im Zelt vorgezogen. So könnten die Gemeinderäte sowohl beim Fassanstich als auch beim Maisingen dabei sein. Das sei dem Gemeinderat so auch zur Kenntnis gegeben worden.
Auch Arnulf Dümmel (Freie Wähler) vertrat die Auffassung, dass der Maientag nicht mit dem Fassanstich eröffnet werden sollte. CDU-Fraktionschef Kunzmann fand die Sache etwas zu hoch gehängt. Den Festbetrieb parallel zum Maisingen habe es schon immer gegeben. Dazugekommen sei lediglich der Fassanstich, der zumindest einer Person besonders wichtig sei. Aber „Festzelt und Rummel gehören auch zum Maientag“. Dr. Otto Unger empfahl, im nächsten Maientagsprogramm 2012 beim Fassanstich die Worte „Eröffnung des Maientages“ zu streichen.


Wieder mal dasselbe Spiel: Wir wenden uns gegen den Fassanstich als vorgezogenen Beginn und Startschuss des Maientags - und wer nicht genau hinhört, der unterstellt uns, wir lehnten den Festbetrieb auf dem Rummel ab. Es ging auch nicht um Kritik an einer "Entzerrung", sondern darum, dass a) ein Fassanstich zum traditionellen Maientagsritual erklärt wird und b) damit dem Maiensingen als traditionelle Eröffnung des Maientags der Rang abgelaufen wird. 

Deshalb habe ich in einem Leserbrief an meine Heimatzeitung dazu Stellung genommen:


Reinmar Wipper, Nürtingen. Zum Artikel „Kritik an Fassanstich zum Maientagsstart“ vom 20. Mai. Warum soll ein Mann etwas gegen Fassanstiche haben? Und erst recht am Maientag? Als Mann aus Nürtingen finde ich es aber verkehrt, wenn der Oberbürgermeister das Fass-Anstechen zu einem Maientagsritual hochlobt und damit sogar den Maientag eröffnen will. Neuerdings. Der Maientag ist aber kein Neuerdings. Er hat seine Tradition, ob das neuerdings passt oder nicht. Und das werde ich einfordern solange ich lebe.
Nichts gegen Bierzelte, Rummel und Anmachmusik. Mein erster Weg nach dem Festzug führt mich mitsamt der Familie ins Zelt zum kühlen Festbier und der heißen Festwurst. Seit einem halben Jahrhundert. Aber das ist Beiwerk. Der Maientag ist das Fest der Nürtinger Familien, der Kinder – und der Stadtväter.
Als Mitglied der Letzteren habe ich dazu meinen Mund aufgemacht, und ergänzt gesagt, ich würde mich so lange zu Wort melden, wie jemand glaube, den Maientag nach seinem Bilde schnitzen zu können. Zum Maientag gehört als Beginn das Maiensingen der Schulkinder und nicht das Fassanstechen der Volksfestler. Und danach das gemeinsame Vesper von Stadtvätern und Lehrern, ein Akt gegenseitigen Respekts und der Anerkennung. Da wird aber ohne Not gespart und geklemmt, sodass man sich schämen muss.
In jeder Sitzung ist das Vesper üppiger. Zwölf Stadträte des Kulturausschusses und die unermüdlichen Maientagslehrer sind geladen. Alle anderen sind Selbstzahler. Und das zweite Getränk holt man sich bittschön selber an der Kasse. Im selben Atemzug werden im Rathaus riesige Summen durchgewinkt, die sich keiner vorstellen kann.
Im Zeitungsbericht sind meine kritischen Worte meinem Kollegen Rauscher in den Mund gelegt worden. Das ist nicht weiter schlimm. Wir sind uns ja einig. Vielleicht auch hat die Berichterstatterin gemeint, beim Kollegen Rauscher komme es eh nicht mehr drauf an. Ich lege jedoch Wert darauf, dass auch ich in diesem Fall zu den Polterern gehöre. Und zwar mit erhobenem Haupt. Und so lange, bis es nicht mehr nötig sein wird. Und das tät ich gerne noch erleben, so Gott will.

Darauf hat dann ein weiterer Kollege geantwortet. Und das lesen wir unter der Überschrift Leserbrief 4.