Nachdem sich Frau Merkel, die Bundeskanzlerin, beim Salto Atomaris vom vergangenen Wochenende immer noch nicht das Kreuz gebrochen hatte, titelte Wolfgang Molitor auf der Ersten Seite der Nürtinger Zeitung: "Typisch Merkel!" Er lobte die explosive Energie, mit der Frau Merkel die Wende der Wende der Wende der deutschen Atomenergiepolitik angesprungen ist: Hoch auf die Seil, wie war sie herrlich anzuschaun! Oh mein Papa, war eine schöne Kinstlär!
Diese Frau hat sich tatsächlich zum Vorturner und Übervater aller Kronprinzen der CDU gemacht. Entweder hat sie die Burschen entsorgt oder diese sich untertan gemacht. Was letztlich auf dasselbe hinausläuft. Noch vor einer Woche steckte die CDU bis zum Anschlag in den Hintern der Atomenergiewirtschaft, hat Profit vor Sicherheit gesetzt, von Risiken nichts wissen wollen und die so genannten Restrisiken als kalkulierbar eingestuft. Ihr treuer Vasall Mappus aus Mühlacker hatte sogar erwogen, Bundesumweltminister Röttgen aus dem Amt zu treiben, weil der etwas nachdenklicher war also er.
Heute, nach nur vier Tagen, erklärt dieselbe Partei man müsse sofort alle älteren Atomkraftwerke abschalten. Denn damit hätten sich Grüne und Rote in der Vergangenheit schwer getan. Gottseidank sei die CDU so entscheidungsfreudig, nach der japanischen Katastrophe nunmehr die richtigen Schritte in die richtige Richtung zu tun.
Talleyrand (1754 - 1838) |
Im Gleichschritt dekorieren die Stuttgarter Nachrichten um. Während DIE ZEIT auf Seite Eins fordert: Keine Lügen mehr, Frau Kanzlerin! entblödet der politische Chefkommentator der Stuttgarter Nachrichten sich nicht, Merkels politisches Windspiel als staatsmännische Raffinesse zu bewundern. Getreu dem Motto des gewaltigsten Opportunisten der jüngeren Geschichte, Bischof Charles Maurice de Talleyrand-Périgord: Hochverrat, Sire, ist eine Frage des Datums (Zu Zar Alexander I. zur Zeit des Wiener Kongresses. siehe Wikipedia). Dieses französische Chamäleon hat alle politischen Phasen vor während und nach der Französischen Revolution nicht nur überstanden. Talleyrand ist stets oben geschwommen, als Fettauge, immer auf der richtigen Seite der Wurstsuppe. Zur Not auch im Ausland, In England, den USA, Talleyrand am Tellerrand sozusagen. Um genau dann zurück zu kehren, wenn es günstig für ihn war, opportun, ein Opportunist also. Als solche erweist sich zurzeit die komplette CDU. Ohne Scham. Ohne Skrupel. Allein aus Angst, ihre Hochburg Baden-Württemberg geschleift zu bekommen. Denn das wäre der Einstieg in den Ausstieg von Frau Merkel.
Talleyrand mit den Zeichen seiner wechselnder Loyalität. (zeitgenössische Karikatur) |
Die deutsche Atomkarawane hat nun den Kurs gewechselt. Nicht wegen Japan sondern wegen drei Landtagswahlen in allernächster Zeit. Für drei Monate werden die Regelungen ausgesetzt - ein Moratorium nennt man das - die vor Monaten noch ohne den Bundesrat durchgeboxt worden sind und eine gewaltige Verlängerung der Laufzeiten für Atomkraftwerke freigegeben haben. Soll alles nicht mehr wahr sein. Die angeblich sicheren Kraftwerke plötzlich so marode, dass sie über Nacht vom Netz müssen. Die Energieriesen sind derweil auf Tauchstation, Merkel und Mappus haben das Gesangbuch gewechselt und Kommentator Molitor schreibt die Propaganda dazu.
In meiner Wut darüber, und weil mir als Nürtinger nichts anderes übrig bleibt als die Stuttgarter Nachrichten mit zu beziehen, wenn ich die Nürtinger Zeitung lesen will, in diesem Ärger habe ich unmittelbar nach Molitors Artikel einen Leserbriefe verfasst. Er ist nicht erschienen. Heute nun erfahre ich per Telefon, die Redaktion der Nürtinger Zeitung habe eine Regelung, nach der von ein und demselben Schreiber pro Woche nur ein einziger Leserbrief erscheinen könne. Nie gehört. Ich kenne fast alle Redakteure der NtZ - davon aber hat noch keiner was erzählt. Einmal hatten die sogar am selben Tag zwei Briefe von mir im Blatt, weil sie den ersten 12 Tage haben liegen lassen. Sei´s drum: Vor kurzem hatte ich schon mal einen geschrieben. Von dieser Regelung wusste ich aber nichts, sonst hätte ich mir doch nicht die Zeit gestohlen. Deswegen setze ich diesen Leserbrief nun hier rein, so, wie ich ihn abgeschickt hatte:
Reinmar Wipper, Nürtingen. Zum Tagesthema „Typisch Merkel“ vom 15. März. Während in Japan eine Jahrhundertkatastrophe aus den Atomkraftwerken quillt, glühen die bloßgelegten Brennstäbe der deutschen CDU in rot und grün. Vor einer Woche noch ist man von den schwarzen Atomkraft-Propheten höhnisch verlacht worden, wenn man die energiereichen Taten von Ministerpräsident Mappus wegen technischer Bedenken in Frage gestellt hat. Heute aber ist bunt geworden, was vordem schwarz war, krumm was gerade, richtig was falsch.
Ich fühle mich als Bürger beleidigt durch die Art und Weise, wie die Christdemokraten sowohl mit ihrem politischen Glaubensbekenntnis umgehen, das ich ganz gut kenne. Und mit den Wählerinnen und Wählern: Seit sie um ihre Macht bangen müssen, steht alles zur Disposition. Sie ringeln die Zunge, wie jene Schlange, die Eva einen Apfel angedreht hat. Damals ist erhoffte Klugheit als Nacktheit in die Welt gekommen. Das biblische Spiel um des Kaisers neue Kleider. Die haben ja gar nichts an, heißt es da.
Es geht nicht mehr um verschiedene politische Auffassungen und Richtungen. Es geht um den Kern der Verlässlichkeit und der Glaubwürdigkeit. Wolfgang Molitor nennt dies dreist „Typisch Merkel“. Die Kanzlerin mache den Weg frei für die Abschaltung von Atommeilern, so schreibt er. Überschriften können furchtbar lügen. Umgekehrt: Die Katastrophe von Fukushima macht diesen Weg frei, und drei Landtagswahlen. Sollten die von der CDU erneut gewonnen werden, wird die CDU ihr grünes Mäntelchen rasch wieder ablegen. Über Nacht haben die Schwarzen alles eingestampft, was zuvor zum zentralen Credo ihrer Atom-Politik gehört hat. Und Frau Gönner (Umweltministerin) kritisiert die Opposition: Man instrumentalisiere die japanische Katastrophe für den Wahlkampf. Auch hier umgekehrt: Der Merkel´sche Ausstieg und die Oettinger´sche Neubewertung der Atomkraft sind Luftblasen, in denen die CDU das Ersticken im Wahlkampf überstehen möchte.
Nach wie vor lautet die entscheidende Frage: Haben CDU und FDP vor der Laufzeitverlängerung für uralte Kraftwerke wie Neckarwestheim deren Sicherheitslage überprüft? Oder nicht? Wählen gehn!
Ich fühle mich als Bürger beleidigt durch die Art und Weise, wie die Christdemokraten sowohl mit ihrem politischen Glaubensbekenntnis umgehen, das ich ganz gut kenne. Und mit den Wählerinnen und Wählern: Seit sie um ihre Macht bangen müssen, steht alles zur Disposition. Sie ringeln die Zunge, wie jene Schlange, die Eva einen Apfel angedreht hat. Damals ist erhoffte Klugheit als Nacktheit in die Welt gekommen. Das biblische Spiel um des Kaisers neue Kleider. Die haben ja gar nichts an, heißt es da.
Es geht nicht mehr um verschiedene politische Auffassungen und Richtungen. Es geht um den Kern der Verlässlichkeit und der Glaubwürdigkeit. Wolfgang Molitor nennt dies dreist „Typisch Merkel“. Die Kanzlerin mache den Weg frei für die Abschaltung von Atommeilern, so schreibt er. Überschriften können furchtbar lügen. Umgekehrt: Die Katastrophe von Fukushima macht diesen Weg frei, und drei Landtagswahlen. Sollten die von der CDU erneut gewonnen werden, wird die CDU ihr grünes Mäntelchen rasch wieder ablegen. Über Nacht haben die Schwarzen alles eingestampft, was zuvor zum zentralen Credo ihrer Atom-Politik gehört hat. Und Frau Gönner (Umweltministerin) kritisiert die Opposition: Man instrumentalisiere die japanische Katastrophe für den Wahlkampf. Auch hier umgekehrt: Der Merkel´sche Ausstieg und die Oettinger´sche Neubewertung der Atomkraft sind Luftblasen, in denen die CDU das Ersticken im Wahlkampf überstehen möchte.
Nach wie vor lautet die entscheidende Frage: Haben CDU und FDP vor der Laufzeitverlängerung für uralte Kraftwerke wie Neckarwestheim deren Sicherheitslage überprüft? Oder nicht? Wählen gehn!